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Im Tal der Tränen

Dieser Artikel ist Teil der Serie Blogbeiträge
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  • Was wir aus der Vergangenheit lernen können
  • Zur Einleitung und zum Dank

Wie man mit Gedenkstätten im Alltag umgehen sollte – darüber hatten wir bereits nach unserem Besuch auf dem ehemaligen Schießplatz Hebertshausen diskutiert. Ganz anders ist es aber, mit emotionalen Reaktionen bei Gedenkritualen oder im Gespräch mit Zeitzeugen und Zeitzeuginnen konfrontiert zu werden. Im Rahmen unseres Forschungsprojektes sind wir bereits Trauer, Unverständnis und Wut begegnet.

 von Theresa Weiß

Gedenkveranstaltungen besuchen – Eine emotionale Herausforderung

Als wir am Schweigemarsch zum Gedenken an die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter des ehemaligen KZ-Außenlagers Utting teilnahmen, blickten wir in trauernde Gesichter. Zwar hatten wir uns zuvor mit einem Fragenkatalog für die Besucher_innen der Veranstaltung und einem vollen Kamera-Akku ausgestattet, doch als die Gedenkveranstaltung begann, fühlte sich keiner von uns mehr im Stande, die Besucher auszufragen oder etwa laut knipsend die Tränen der Anwesenden festzuhalten. Es herrschte eine so drückende Stille und eine ehrlich andächtige Stimmung, dass wir die Momente weder einfangen konnten noch wollten. Wir wurden zum Teil des Gedenkens als wir uns, wie alle anderen, einen schwarzen Stein aus dem Korb des Pfarrers nahmen und ihn auf dem Schweigemarsch mit uns trugen, um ihn am jüdischen Friedhof Utting auf eines der Gräber zu legen. Unterwegs wurde aus den Memoiren von Solly Ganor vorgetragen, der als Jugendlicher aus Litauen verschleppt wurde und in Utting Zwangsarbeit leisten musste. Die intensive Beschreibung seines Leids und seines Alltags inmitten von Gewalt und Tod berührte viele der Anwesenden zutiefst.

Ein Forscher ist ein Forscher ist ein Forscher?

Unsere Rolle war nicht leicht zu finden. Sind wir nun bloß Beobachterinnen oder Teilnehmerinnen? Dürfen auch wir betroffen sein? Einerseits möchten wir neue Erkenntnisse gewinnen, möchten Informationen zusammentragen. Doch andererseits sind auch wir Teil des emotionalen Gedenkens und wenn man von dem erlebten Leid der Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen hört, wird es einem elend zu Mute.

Auch fragten wir uns, wo die Grenze zwischen Pietät und Forschungsinteresse liegt: Obgleich es interessant gewesen wäre, die Anwesenden nach ihren Motiven zur Teilnahme an dieser Veranstaltung oder ihren persönlichen Gedanken zu fragen, entschieden wir uns dagegen, nach dem Schweigemarsch Teilnehmende anzusprechen oder die Gruppe ständig zu fotografieren. Die mit Trauer aufgeladene Situation brachte uns in eine Lage, derer wir nicht Herr waren. Daher hielten wir uns im Hintergrund und beobachteten ohne die Gruppe zu stören.

Gefühle zeigen und erleben im Interview

Auch in Interview-Situationen kam es für uns bereits zu emotionalen Reaktionen. Die Frage, wie man sich einer eigentlich fremden Person gegenüber verhalten soll, die sich gerade sehr öffnet und traumatische Erfahrungen mit einem teilt, ist nicht leicht zu beantworten. So fühlten wir uns beinahe überrumpelt, als ein Interviewpartner nach wenigen Minuten nach Gesprächsbeginn in Tränen ausbrach, da er von den schlimmen Erinnerungen überwältigt wurde. Soll man hier schweigen und warten? Oder gut zureden? Am Ende reagierten wir spontan, ohne vorher einen Leitfaden zur Bewältigung emotionaler Gespräche entworfen zu haben. Wir schalteten uns abwechselnd ins Gespräch ein und halfen uns gegenseitig aus, wenn eine von uns einmal nicht genau wusste, wie sie auf die Tränen unseres Interviewpartners über die ausgemergelten Zwangsarbeiter oder die Wut darüber, warum keiner geholfen hat, reagieren sollte. So entspann sich ein sehr interessantes und aufschlussreiches Gespräch, in dem wir mit dem Interviewten mitfühlten, wo aber auch eigene Gefühle ins Spiel kamen. Auf dem Weg nach Hause hatten wir daher noch viel miteinander zu bereden, denn das Interview hatte uns nicht kalt gelassen.

Die Unsicherheit bleibt jedoch – habe ich mich richtig verhalten, habe ich die andere Person in eine unangenehme Situation gebracht? Oder hätte ich vielleicht klarer Stellung beziehen müssen?

Wie man auf Wut, Enttäuschung und Trauer in Interviews oder bei Gedenkveranstaltungen als Forschende_r reagieren sollte, ist immer noch eine schwierige Frage. Für uns ist jedoch klar, dass wir denen, die sich mit dem Holocaust und der Erinnerung daran beschäftigen, mit Einfühlungsvermögen gegenübertreten und uns die konfliktbehaftete Situation vor Augen führen müssen.

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Dieser Artikel ist Teil der Serie: Utting: KZ-Außenlager
  • gedenken
  • pietät

Die Orte

  • Utting: KZ-Außenlager
  • Frauen und sogenannte „Asoziale“
  • Neuaubing: Das Zwangsarbeitslager
  • Hohenbrunn: Das Munitionslager
  • Kinder in der Zwangsarbeit
  • Schule an der Stielerstraße: Das Bombensuchkommando
  • Kaufering VII: KZ-Außenlager

Hintergrund & Methodik

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