Als Kauferinger Außenlagerkomplex werden die elf Konzentrationslager bezeichnet, welche sich im Landkreis Landsberg am Lech befanden. Die tatsächlichen Standorte aller elf Lager konnten nicht abschließend geklärt werden, so ist es weiterhin fraglich, wo Lager V und IV errichtet wurden.
von Alexander Legler und Vera Volkmann
Die Lager I, II, III und XI befanden sich in unmittelbarer Nähe zu dem Rüstungsbunker, in dem die KZ-Häftlinge Zwangsarbeit leisten mussten. Dieser ist zwischen der Kreisstadt Landsberg am Lech und dem Markt Kaufering gelegen. Das Lager IV befand sich in der Nähe von Hurlach, nördlich von Kaufering, Lager X weiter entfernt in der kleinen Ortschaft Utting am Ammersee. Lager VII, mit dem wir uns hauptsächlich beschäftigt haben, liegt bei Erpfting, südlich von Kaufering und Landsberg gelegen, wobei es sich geographisch näher zu Landsberg als zu Kaufering befindet.1
Vom Außenlagerkomplex Kaufering sind heute nur wenige materielle Spuren erhalten. Als wir uns auf den Weg zum ehemaligen Außenlager Kaufering VII machten, warf diese Abwesenheit und „Unsichtbarkeit“ des Gedenkortes eine Reihe von Fragen für uns auf, handelt es sich doch dabei um einen transnationalen Erinnerungsort. So steht der Name Kaufering als einer unter den vielen Orten des Leidens und Sterbens tschechischer Juden in der Prager Holocaustgedenkstätte „Pinkas Synagoge“, neben Terezín, Maly Trostinec und Treblinka.
Umso verwunderlicher erschien es uns, dass lediglich zwei steinerne Säulen mit hebräischer Inschrift auf den historischen Ort verweisen. Diese mehr als bescheidene Form des Erinnerns brachte uns zum Nachdenken über den Stellenwert des Gedenkens an und Wissen-Wollens um die NS-Verbrechen in der lokalen Erinnerungslandschaft einer bayerischen Kleinstadt, Landsberg am Lech.
Etwa 55 Kilometer westlich von der Landeshauptstadt München gelegen, wurde die Umgebung von Landsberg am Lech in den letzten Kriegsjahren 1944 bis 1945 zum Standort aufwendiger unterirdischer Bauprojekte der Rüstungsindustrie. Durch die Eisenbahnverbindung und eine besonders günstige geologische Struktur versprach sich die NS-Führung eine schnelle Fertigstellung der Rüstungswerke unter der Erde. Den bayerischen Baufirmen, die von der Organisation Todt (OT) zur Projektausführung beauftragt wurden, wurden vom Reichsführer SS KZ-Häftlinge als Arbeitskräfte zugeteilt. Gerade die Außenlager, die in der Nähe der Werke entstanden sind, wurden zu den Orten, in denen das verbrecherische Programm „Vernichtung durch Arbeit“ umgesetzt wurde.
Diese Lagerkomplexe des letzten Kriegsjahres wurden sehr schnell und chaotisch gebaut und wiesen nicht einmal die notwendigsten Versorgungsorganisationen auf. Der Tod der Häftlinge durch schlechte Haftbedingungen, Krankheiten aufgrund der fehlenden medizinischen Versorgung, durch Schwerstarbeit und Hunger, wurde in Kauf genommen. Der Umgang mit den jüdischen Häftlingen, die die Mehrzahl der Lagerinsassen ausmachten, diente hier einerseits der „Endlösung“, der Ermordung der Juden Europas, und andererseits ihrer Ausbeutung für die Zwangsarbeit.2 Neben den ungarischen Juden, von denen etwa 10 000 in den Außenlagerkomplex überstellt wurden, gelangten jüdische Häftlinge 25 anderer Nationalitäten in den Raum Landsberg. In der NS-Begrifflichkeit bezeichnete der damalige Plan von Landsberg es als „Judenlager der OT“.3
Das Überleben der Häftlinge war unmittelbar an ihre Arbeitsleistung gebunden – wer nicht mehr arbeiten konnte, erhielt kein Essen und erlag dem Hunger. Dieser menschenverachtende Umgang führte dazu, dass im Winter 1944 besonders viele Häftlinge starben, und ließ die Arbeitskräftefrage bei der OT wieder akut werden.
Die Zahl der Opfer von Zwangsarbeit im Dachauer Außenlagerkomplex bleibt bis heute strittig. Einige Schätzungen gehen von ca. 15 000 Toten aus. Demnach starben in den neun Monaten zwischen August 1944 und April 1945 in den elf Außenlagern beinahe die Hälfte der insgesamt knapp 30 000 KZ-Häftlinge.4 Andere Schätzungen sprechen von rund 7 000 bis 10 000 Opfern. Allein im Lager VII in Erpfting wird die Zahl der Toten in nahen Massengräbern auf 2 000 geschätzt.5
Die Geschichte des Lagers, der Opfer, der Zwangsarbeit und der lokalen Baufirmen und Betriebe, die die Häftlinge ausbeuteten, ist eine Herausforderung für die lokale Erinnerungskultur der Stadt Landsberg und dem nahe gelegenen Kaufering. Der Weg Landsbergs, sich mit der unbequemen Vergangenheit auseinanderzusetzen, hat einige Analogien mit dem Weg Dachaus und vieler anderer deutscher Städte: Schweigen und Verdrängen, Kämpfen um Erinnerung, Begegnung mit Überlebenden und Initiativen der Verstetigung in Form des Lernortes. Gerade in den letzten Jahren ist durch die Aktivität der bürgergesellschaftlichen Akteure vieles in Bewegung gekommen. Vor allem die Bewahrung der baulichen Substanz des historischen Ortes wird vorangetrieben, doch auch das Idealziel – die Errichtung einer Gedenkstätte wird immer öfter gefordert.
- Vgl. Raim, Edith: „Unternehmen Ringeltaube“. Dachaus Außenlagerkomplex Kaufering. In: Dachauer Hefte 5. Dachau 1989, S. 198-199. ↩
- Vgl. Raim, Edith: „Unternehmen Ringeltaube“. Dachaus Außenlagerkomplex Kaufering. In: Dachauer Hefte 5. Dachau 1989, S. 193-213. ↩
- Vgl. Stadtarchiv Landsberg am Lech, OT-Rüstungsbau 065/1. – Vgl. Raim, Edith: Die Dachauer KZ-Außenkommandos Kaufering und Mühldorf. Rüstungsbauten und Zwangsarbeit im letzten Kriegsjahr 1944/45. München, Landsberg am Lech 1991, S. 149. ↩
- Fenner, Barbara: Emotionen, Geschichtsbewusstsein und die Themenzentrierte Interaktion (TZI) am Beispiel des Unterrichtsprojekts zum Außenlagerkomplex Kaufering / Landsberg „Wir machen ein KZ sichtbar“. Augsburg 2012, S. 135-140. ↩
- Vgl. Kaplan, Israel: Marsch aus den Kauferinger Lagern. In: Raim, Edith: Überlebende von Kaufering. Biographische Skizzen jüdischer ehemaliger Häftlinge. Materialien zum KZ-Außenlagerkomplex Kaufering. Berlin 2008, S. 19-36, hier S. 19. Siehe auch die Informationstafel zu Kaufering VII bei Erpfting oder auch den Bericht in der SZ vom 25. April 2014: Mittler, Dietrich: „Es gibt Dinge, über die darf kein Gras wachsen“. In: Süddeutsche Zeitung vom 25. April 2014, S. R 15. ↩
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