- Besonderer Dank
- Gedenkfeier in Kaufering VII am 27. April 2015
- KZ-Außenlager Kaufering VII: Der historische Ort
- Umgang mit Geschichte in Landsberg am Lech
- Der Außenlagerkomplex Kaufering
Die elf Konzentrationslager mit der Bezeichnung Kaufering I bis XI waren sogenannte Außenlager des KZ Dachau. Als solche waren sie der Verwaltung des Stammlagers unterstellt. Obwohl sich lediglich nur eines der elf Lager in Kaufering befand, wurden und werden bis heute alle als „Kauferinger Lager I bis XI“ bezeichnet.1 Sie bildeten nur einen Teil der insgesamt 46 Außenlager des KZ Dachau, wovon 30 nochmals in sechs Außenlagerkomplexe geordnet waren.2
von Alexander Legler und Vera Volkmann
Obwohl die Außenlager eine differenzierte Verwaltungsstruktur vor Ort aufwiesen und so autonom geführt werden konnten, waren sie verwaltungstechnisch einem KZ-Stammlager (hier KZ Dachau) untergeordnet. Der SS-Kommandant der Kauferinger Lager unterstand dem Kommandanten von Dachau. Die genaue Größe der Mannschaften in Kaufering ist unbekannt, alle dem SS-Kommando Kaufering vorstehenden SS-Männer hatten jedoch schon Erfahrung in führenden Positionen in KZs wie Auschwitz und Majdanek gemacht.3 Die Häftlingskartei und die Sterberegister wurden aber im Stammlager geführt. Die Häftlingsunterkünfte waren bei Außenlagern vielerorts provisorisch, wie beispielsweise die sogenannten Erdhütten, die den Witterungsbedingungen in vielen Fällen nicht standhielten. Die Außenlager und Außenlagerkomplexe hatten zum Ziel, Häftlinge flexibel vor Ort einzusetzen und so einen effektiven Arbeitseinsatz mit möglichst geringen Ausgaben zu gestalten. Diese „Sparmaßnahmen“ betrafen vor allem die Behausung und medizinische Versorgung der Häftlinge.
Das KZ-Außenlager Kaufering VII sowie die anderen Kauferinger Lager hatten im Komplex der Dachauer Außenlager eine Sonderstellung inne. Sie waren für ein fest umrissenes Rüstungsprojekt, das „Projekt Ringeltaube“, vorgesehen, an einem Ort, an dem vorher keine Fabrik oder Produktionsanlage existierte. So mussten die Häftlinge sowohl Lager als auch Produktionsbunker selbst errichten.4 Auf Bunkerbaustellen der Umgebung wurden die KZ-Insassen – Männer und Frauen jeden Alters – zu schweren Erd- und Gleisbauarbeiten gezwungen, und zur Betonanfertigung bei den Firmen Leonhard Moll und Held & Francke gezwungen.
Das Unternehmen Leonhard Moll, erlangte bei der NS-Führungsriege eine ungeheure Beliebtheit. Es war an der Errichtung des “Führerbaus”, der Gestaltung des Königsplatzes und am Straßenbau in Obersalzberg beteiligt. Auch der Ein-Mann-Bunker“ im Zwangsarbeitslager Neuaubing wurde von dieser Firma errichtet. Auch nach dem Krieg baute das Unternehmen viele weitere Großanlagen, beispielsweise Industrieanlagen von BMW und die Stätten auf dem Olympia-Gelände. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Unternehmensgeschichte fand lange Jahre nicht statt, auch heute lässt die offizielle Webseite das Kriegskapitel weg. Erst im Juni dieses Jahres (2015) wurde der Leonhard-Moll-Bogen in München-Sendling umbenannt: Die Stadtverwaltung stellte fest, dass „das öffentliche Bewusstsein für das Thema Zwangsarbeiter und Ausländereinsatz in der Münchner Kriegswirtschaft allenfalls im Entstehen begriffen war.“ Dennoch: Die Beschäftigung von Zwangsarbeiterinnen und Zwansgarbeitern ist kein Geheimnis für die Firmengeschichte und die Firma beteiligte sich an den Fonds der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, die sich die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zum Ziel gesetzt hat. Im Gegensatz dazu scheint der Firma Held & Francke daran gelegen zu sein, den unbequemen Teil der Firmengeschichte völlig auszublenden. So wird die Ausbeutung der KZ-Häftlinge zum Beispiel auf Wikipedia unter der neutralen Bezeichnung „Beteiligung am Bunkerbau in Landsberg für das Rüstungsministerium in Berlin“ aufgeführt.
Das Kauferinger Lager VII wurde, im wahrsten Sinne des Wortes, aus dem Erdboden gestampft. Es gab keine Baracken wie in den anderen KZs, sondern in den Boden gegrabene Erdhütten. Die ersten Häftlinge mussten ihre Behausungen zunächst selbst erbauen. Viele von ihnen starben an Kälte und Erschöpfung, wie der ehemalige Häftling Samuel Pisar (*1929 in Białystok, Polen) in seinen Erinnerungen schildert: „Wir sollten in der eisigen Kälte des Winters, der gerade erst begonnen hatte, ein ganz neues Lager aufbauen: das Lager Kaufering.“5
Struktur des Konzentrationslagers
Die Lagerinsassen waren größtenteils jüdische Frauen und Männer.6 Sie gehörten 25 europäischen Nationen an und wurden aus Lagern wie Auschwitz, Stutthof oder aus dem Warschauer Ghetto nach Kaufering deportiert. Während des Transports wurden sie meist ohne Verpflegung in Viehwagons gepfercht, was eine hohe Sterblichkeit bedingte. So hatten sie bereits einen Leidensweg hinter sich: Erschöpft, häufig krank und ausgemergelt kamen sie in Kaufering an.7 Die Mehrheit der KZ-Häftlinge wurde aus dem östlichen Europa nach Bayern deportiert, vor allem waren es Jüdinnen und Juden aus Ungarn, der Tschechoslowakei, Polen und der Sowjetunion, Griechenland und Litauen, die in der Umgebung von Landsberg am Lech Zwangsarbeit verrichten mussten.8 Aber auch Jüdinnen und Juden aus den Niederlanden, Italien und Österreich haben hier gelitten.
Darüber schreibt Iwens Sidney (*1924 in Litauen, † 2010 in Sarasota, FL, USA), der als jüdischer Häftling in die Kauferinger Lager II, X und XI deportiert wurde,9 in seinen Erinnerungen:
„Außer mir gab es nur einen Lithauer[sic!]. Viele sind aus Polen und Ungarn, sowie aus Rumänien, Deutschland, Frankreich, Griechenland und wahrscheinlich einigen anderen Ländern; zumindest eine Person war aus Italien. […] Die meisten von uns sprachen Jiddisch, obwohl doch alle in den Dialekten ihrer Ursprungsländer sprachen. Außerdem gab es ein Gemurmel in unterschiedlichen Sprachen. Einige der Ungarn und Rumänen der sogenannten Bildungsschicht sprachen überhaupt kein Jiddisch und manche der polnischen Intelligenzia sprachen es sehr schlecht. Die deutschen Juden sprachen nichts außer Deutsch. Dennoch war die Kommunikation im Allgemeinen kein Problem; die meisten von uns sprachen mehr als eine Sprache und kannten Deutsch, die Griechen und Italiener ausgenommen, die weder Jiddisch noch Deutsch sprachen.“10
Das Lager Kaufering VII war in ein Männer- und ein Frauenlager unterteilt. Die Frauen waren in Tonröhrenbauten aus Tonflaschen untergebracht. Diese existierten in dieser Form nur in Kaufering VII. Die männlichen Häftlinge mussten in Erdhütten schlafen. Lager VII entstand am 11. September 1944 und hatte etwa zwei- bis dreitausend männliche, sowie 118 bis 272 weibliche Insassen.11 Das Lager wurde ab Januar 1945 zu einem Krankenlager, um die zahlreichen an der Typhusepidemie leidenden Häftlinge von den nicht infizierten zu trennen. Es gab in den Lagern keine medizinische Versorgung, weshalb die Seuchengefahr sehr groß war. Insgesamt waren die sanitäre und hygienische Situation extrem schlecht, weswegen sich Ungeziefer (alle Häftlinge waren beispielsweise sehr stark von Läusen befallen und hatten bis zu handtellergroße Kratzwunden am Körper)12 und Krankheiten sehr schnell verbreiteten. Die Tonröhrenbauten und vor allem die Erdhütten waren sehr provisorisch angelegt und die Häftlinge schliefen meist auf dem Boden. Die Situation im Winter war katastrophal, da die Dächer oft durchweichten, die Hütten kaum beheizt waren und es dadurch extrem kalt und nass war.13 Miroslav Kárný, der in einer ähnlichen Behausung in Lager Kaufering III untergebracht war, beschreibt dies folgendermaßen:
„Es war dort [Kaufering III] sehr feucht, wir lagen auf bloßen Brettern, jeder Mann hatte nur eine Decke. […] In dem einzigen kleinen Ofen wurde nur abends geheizt. Ein wenig Heizmaterial bekamen wir als Zuteilung, aber viel mehr waren wir angewiesen auf das, was ‚organisiert’ wurde.“14
Die Kleidung der Häftlinge war sehr dünn und für den Winter nicht geeignet – fast niemand besaß einen Mantel, feste Schuhe oder andere warme Kleidung – und es fehlte an Wechselkleidung. In den kalten Behausungen gelang es meist nicht, die durchnässten Sachen über Nacht zu trocknen.
Die morgendlichen Appelle dienten der Schikane durch die SS, die die Häftlinge mehrere Stunden in der Kälte stehen ließ. Brutalität und rassistisch-antisemitische Feindseligkeit waren alltäglich. Vor allem jüdische Häftlinge wurden brutal zusammengeschlagen, oft wurden ihnen die ohnehin sehr knappen Essensrationen gestrichen. Auch die Beschaffung von Nahrung und Kleidung oder zu langsame Arbeit wurden zumeist willkürlich und auf das Härteste bestraft, in manchen Fällen mit der Todesstrafe.15 Der Häftling Dr. Kurt Deutsch berichtet in einem Interview darüber: „Das Papier von den Zementsäcken haben wir uns in die Schuhe hineingegeben, damit uns nicht so kalt ist. Wenn das die SS gesehen hat, was glauben Sie, was das gab! Die haben die Menschen erschlagen.“16
Die Versorgung mit Nahrung war mehr als unzureichend. Die Häftlinge erhielten meist nur einmal am Tag eine wässrige Suppe mit einem kleinen Stück Brot. In manchen Lagern erhielten sie die Ration nur an der Arbeitsstelle, weshalb im Lager befindliche Häftlinge, zum Beispiel Kranke, leer ausgingen.17 Moshe Sandberg, der unter anderem die Lager Dachau und Mühldorf überlebte, berichtet: „Das Nahrungsproblem war das Hauptproblem in unseren Leben, das zentrale Thema unserer Unterhaltungen, der entscheidende Einflussfaktor auf das zwischenmenschliche Verhältnis.“18
Ende April 1945 erhielten die KZ-Insassen von der SS den Befehl zur Räumung des Lagers. Bereits die Strecke zum Stammlager Dachau war ein Todesmarsch, von dort aus sollten die Häftlinge noch weitere Kilometer getrieben werden, um der Befreiung zu entgehen. Viele starben an Erschöpfung und fehlender Verpflegung, zudem wurden die Marschunfähigen unterwegs ermordet. Die Kauferinger Lager wurden zwischen dem 24. und 27. April von der US-Armee befreit, die Todesmärsche wurden teilweise erst am 3. Mai aufgelöst.19 Ein US-amerikanischer Soldat beschreibt die Eindrücke bei der Befreiung folgendermaßen: „Als wir das Lager betraten, war das erste, was wir sahen, die niedergebrannten Hütten, aber wenig später bekamen wir den Schock unseres Lebens. Auf dem Boden in der Mitte der Gebäude waren die verbrannten Überreste der jüdischen Sklavenarbeiter […].“20
- Vgl. Raim, Edith: „Unternehmen Ringeltaube“. Dachaus Außenlagerkomplex Kaufering. In: Dachauer Hefte 5. Dachau 1989, S. 198-199, hier S. 196. Siehe die Karte der Kauferinger Lager hier: http://www.gz-tm-dachau.de/img/karte_landsberg.jpg (12.11.2015). ↩
- Vgl. Schalm, Sabine: Überleben durch Arbeit? Außenkommandos und Außenlager des KZ Dachau 1933-45 (= Geschichte der Konzentrationslager 1933-45, Bd. 10). Berlin 22012, hier S. 35-38 und S. 47-50. ↩
- Vgl. Raim: Ringeltaube, S.199f. ↩
- Vgl. Fenner, Barbara: Emotionen, Geschichtsbewusstsein und die Themenzentrierte Interaktion (TZI) am Beispiel des Unterrichtsprojekts zum Außenlagerkomplex Kaufering / Landsberg „Wir machen ein KZ sichtbar“. Augsburg 2012, S.134. Archivaufnahmen von der Großbunkerproduktionsstätte siehe in der Sammlung von Manfred Deiler hier: http://www.buergervereinigung-landsberg.de/ruestung/Weingut2.pdf (20.11.2015). ↩
- Pisar, Samuel: Das Blut der Hoffnung. Hamburg 1979, S. 83-86. ↩
- Vgl. Fenner: Emotionen, S. 135. ↩
- Ebd. ↩
- Vgl. Raim: Ringeltaube, S. 108. ↩
- Siehe hierzu: Iwens, Sidney: How dark the heavens. 1400 Days in the grip of Naziterror. New York 1990, S. 246, 260 und 268f. ↩
- Ebd. ↩
- Vgl. Benatar, Sara, Cohen, Anne, Hasson, Giovanna und Laura: Die Odyssee der Frauen von Rhodos. In Benz, Wolfgang, Distel, Barbara (Hg.): Frauen (= Dachauer Hefte 3). 1987, S 158-165. ↩
- Vgl. Fenner: Emotionen, S. 145. ↩
- Ebd. ↩
- Zit. n.: Raim, Edith: Die Dachauer KZ-Außenkommandos Kaufering und Mühldorf. Rüstungsbauten und Zwangsarbeit im letzten Kriegsjahr 1944/45. München, Landsberg am Lech 1991, S. 213. ↩
- Vgl. Fenner: Emotionen, S. 150ff. ↩
- Zit. n.: Raim: Dachauer KZ-Außenkommandos, S. 205. ↩
- Vgl. Fenner: Emotionen, S. 148. ↩
- Zit. n.: Raim: Dachauer KZ-Außenkommandos, S. 216, eigene Übersetzung. ↩
- Vgl. Fenner: Emotionen, S. 152. ↩
- Zit. nach Raim: Ringeltaube, S. 212. ↩