- Besonderer Dank
- Gedenkfeier in Kaufering VII am 27. April 2015
- KZ-Außenlager Kaufering VII: Der historische Ort
- Umgang mit Geschichte in Landsberg am Lech
- Der Außenlagerkomplex Kaufering
Die Auseinandersetzung über den Umgang mit dem Lagergelände zwischen Erinnerungsaktivistinnen und Erinnerungsaktivisten und der Stadt Landsberg hat selbst eine lange Geschichte. Während sich die „Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert“ auf dem von ihr gekauften Gelände für den Erhalt der Tonröhrenbauten und das Gedenken an die Opfer einsetzte, war die Position der Stadt nicht immer eindeutig. So war zum Beispiel der der Stadt gehörende Teil eine Bauschuttdeponie. Derzeit wird dieser aber fachgerecht saniert. Nur ein Schild im Wald weist auf die Präsenz des ehemaligen KZ-Außenlagers hin. Mittlerweile erklärt die Stadt Landsberg offiziell: „Es gibt Dinge, über die darf kein Gras wachsen!“, doch dieser Weg war lang und schwierig.
von Alexander Legler und Vera Volkmann
Die Aufarbeitung der Lagergeschichte begann im Kontext der Gedenkstättenbewegungen mit der Gründung der Bürgervereinigung „Landsberg im 20. Jahrhundert“ im Jahr 1983 und deren Erwerb eines Teils des KZ-Lagers Kaufering VII (das damalige Frauenlager und ein kleiner Teil des Männerlagers) durch private Spendengelder 1985. Das Gelände des ehemaligen Lagers ist für die Öffentlichkeit nicht frei zugänglich, kann aber mit Einverständnis der Bürgervereinigung besichtigt werden.
In den 1990er Jahren setzten sich die Erinnerungsaktivistinnen und Erinnerungsaktivisten für die Entwicklung des Ortes zu einer Europäischen Holocaust-Gedenkstätte ein. Sie wandten sich an die Regierungschefs europäischer Staaten mit der Initiative, jeweils einen Gedenkstein zu stiften. Insgesamt zwölf Denkmäler stehen jetzt auf dem Gedenkareal von Kaufering VII. Auf ihnen sind Inschriften auf Hebräisch, Russisch, Ungarisch, Englisch, Tschechisch und Französisch zu lesen. An Stelle der deutschen offiziellen Vertreter errichtete die Bürgervereinigung einen Gedenkstein für die deutschen Opfer des Außenlagers. Von der Bundesregierung, der Stadt und dem Land Bayern wurde bislang kein Zeichen der Erinnerung gesetzt.
Der Großteil der Bürgerinnen und Bürger von Landsberg war – wie vielerorts in der Bundesrepublik – bis Mitte der 1950er Jahre der Meinung, dass unter die NS-Vergangenheit der Stadt ein Schlussstrich gezogen werden müsse. Neben den einschlägigen, bundesweiten Gründen, wie Erinnerung an die eigenen, deutschen Opfer, Verstrickung in Verbrechen und fehlende Debatten über die historische Verantwortung der Bundesrepublik, spielten hier auch der Fortbestand der Unternehmen nach Kriegsende und ihre Firmeninteressen eine große Rolle. Zudem diente Landsberg am Lech wegen der Inhaftierung Hitlers in den 1920er Jahren vor allem als NS-Pilgerstätte. Die Erinnerung an die jüdischen Opfer aus dem östlichen Europa stand dazu in Konkurrenz und war nicht willkommen.
Die Stadtbevölkerung stritt über Begrifflichkeiten, ob es ein „KZ-Lager“ oder „ein Arbeitslager“ gewesen sei und war bestrebt, die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der KZ-Häftlinge zu verharmlosen. Ähnlich wie die Stadt Dachau lange gebraucht hat, sich der unschönen Vergangenheit und dem Stigma der „Stadt bei KZ“ zu stellen, war es auch für Landsberg auf der städtepolitischen Ebene eine problematische Angelegenheit. Dies spiegelte sich vor allem im Umgang mit dem historischen Ort: Die verschiedenen Lager wurden anderweitig genutzt, auf dem Gelände von Kaufering IV entstand eine Kiesgrube, auf dem Boden von Kaufering III wurde eine Schrebergartenanlage errichtet. Heute erinnern nur eine Tafel und ein Gedenkstein an diese Zeit. Kaufering I wurde mit einem Industriegebiet überbaut, auf dem sich heute die Firma Rational Komponenten GmbH befindet. Hier erinnert nicht einmal eine kleine Tafel an die Opfer des KZs.1
Vielfalt der Akteure
Vor dem Hintergrund, dass die lokale NS-Geschichte von der Bevölkerungsmehrheit in Landsberg verdrängt wurde, waren das Engagement und die Gedenk-Initiativen der Erinnerungsaktivistinnen und Erinnerungsaktivisten von Anfang an eine konfliktreiche Angelegenheit. Ein Umdenken gab es erst in den 1990er Jahren und somit relativ spät – später als in München oder anderen Großstädten. Als Auslöser gilt hier der Vortrag des Psychiaters und Neurologen Viktor Frankl2 in den 1990er Jahren, der selbst im Kauferinger Lager Schwerstarbeit leisten musste. Im Festsaal des Rathauses von Landsberg sprach Frankl zum städtischen Publikum über das „ergreifende Gefühl“, an einen Ort, an dem er gelitten hat und dem Tode nahe war, zurückzukehren und einen Vortrag zu halten. Er berichtete aber auch darüber, dass er vonseiten der lokalen Bevölkerung nicht nur Hass und Ausgrenzung, sondern auch Mitleid erfahren hatte.3 Dieser Vortrag stieß eine Diskussion in der Stadt an. Dabei empfanden vor allem die Kinder der Kriegsgeneration das Bedürfnis, sich mit der belastenden Vergangenheit der Stadt auseinanderzusetzen. Ein besonderer Meilenstein war das Schulprojekt der Geschichtslehrerin Barbara Fenner am Ignaz-Kögler-Gymnasium in Landsberg im Jahr 1995. Mit ihren Schülerinnen und Schülern begab sie sich auf die Spurensuche der Lagervergangenheit in Landsberg: Sie sammelten Informationen, werteten Archive aus und dokumentierten die Überreste des Lageralltags vor Ort, um die Ergebnisse in der Ausstellung „Wir machen ein KZ sichtbar“ dem städtischen Publikum zu präsentieren.4 Dieses Projekt stellte auch die ersten Kontakte zu Überlebenden aus aller Welt her und machte die persönliche Erfahrung der Häftlinge wahrnehmbar. Durch den Besuch des damaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignaz Bubis, wurde das Projekt bundesweit bekannt.5 Im Jahr 1995, im Kontext des Schülerprojektes von Barbara Fenner, wurde auch der Gedenkstein auf dem Lagergelände Kaufering XI enthüllt.
Neben der Bürgervereinigung, den Überlebenden wie Viktor Frankl und den Geschichtslehrerinnen und -lehrern wie Barbara Fenner und Anton Posset sind seit den 1990er Jahren auch weitere zivilgesellschaftliche Akteure aktiv. Dazu gehören Initiativen wie „Gedenken in Kaufering e.V.“, die jährlich Gedenkveranstaltungen abhalten, Schülerinnen und Schüler in die Gedenkarbeit einbinden und Vorträge von Überlebenden organisieren. Die Würmtaler Bürgerinitiative veranstaltet seit 1998 Gedenkzüge zur Erinnerung an den „Todesmarsch von Dachau“. Sie initiierten auch die Aufstellung von Mahnmalen, die an den Todesmarsch erinnern sollen. Der Markt Kaufering schloss sich dieser Initiative an und errichtete ein Mahnmal für die Opfer des „Kommandos Kaufering“. Dieses Mahnmal, gestiftet aus den Privatmitteln von Friedrich Schreiber vom Verein „Gedenken in Kaufering e.V.“ und gestaltet vom Künstler Hubertus Pilgrim, wurde 2009 vor dem Kauferinger Bahnhof errichtet. Die Inschrift lautet:
„Gedenket der 30 000 KZ-Häftlinge des Kommandos Kaufering Juni
1944-April 1945. Etwa 20 000 starben durch Zwangsarbeit, Hunger, Seuchen,
auf Todesmärschen oder im Gas von Auschwitz.“
Auch in Landsberg in der Neuen Bergstraße gibt es seit 1994 ein Mahnmal für die Opfer des Kauferinger Todesmarsches. Die Erinnerung an die NS-Gewalt nimmt also immer mehr Platz im öffentlichen Raum ein.
Konservierung und Rekonstruktion
Einen wichtigen Aspekt des Engagements der bürgergesellschaftlichen Initiativen stellte die Erhaltung der historischen Substanz auf dem Lagergelände Kaufering VII dar. 2014 fiel die Entscheidung, dass die Häftlingsunterkünfte – Tonröhrenbunker und Erdhütten – erhalten werden sollten. In den Jahrzehnten, in denen das Gelände dem Wildwuchs überlassen wurde, sind fast alle Erdbunker zerstört worden, mit Ausnahme von dreien, die konserviert und zur Grundlage einer Gedenkstätte werden sollten. Dafür hatte sich Manfred Deiler von der „Europäischen Holocaustgedenkstätte Stiftung“ mehrere Jahrzehnte eingesetzt, bis er 2014 die Unterstützung des Bayerischen Landesdenkmalrates, der „Deutschen Stiftung Denkmalschutz“ und der Stadt Landsberg erhielt.
Ob die Häftlingsbaracken nur konserviert oder restauriert, also wiederaufgebaut werden sollten, sorgt für Unstimmigkeiten unter den der Erinnerungsaktivistinnen und Erinnerungsaktivisten. Die einen sind gegen den Aufbau und somit gegen eine befürchtete „Disneylandisierung“ des KZs in Kaufering, die anderen für die Rekonstruktion. Laut dem Archäologen Torsten Dressler, dem Leiter des in Kaufering VII an der Restaurierung beteiligten Archäologiebüros ABD-Dressler, soll eine Erdhütte originalgetreu rekonstruiert werden, um die Bauweise zu veranschaulichen. Durch die restaurierten Tonröhrenbauten könnten Besucherinnen und Besucher das Leben der Häftlinge in diesen Lagern durch Betreten, Begreifen und Fühlen besser nachvollziehen.6
Dies fordern auch einige Überlebende, so zum Beispiel Uri Chanoch, ein ehemaliger Häftling der Kauferinger Lager. „Die Menschen sollten sehen, was wir erleiden mußten“, sagte er und forderte den Nachbau einer Erdhütte in der KZ-Gedenkstätte Dachau. Historikerinnen und Historiker lehnten dies ab – es würde die Authentizität des historischen Ortes zerstören und die Besucherinnen und Besucher in die Situation des “Histotainments” versetzen, sie also mehr durch den Erlebnisfaktor anziehen, und nicht durch die historische Bildung, die der Ort verspricht. Zunächst einmal sollten die Erdhütten in Kaufering VII „nur“ saniert und vor der weiteren Zerstörung bewahrt werden. Ob der Bund, das Land, die Stadt oder Kommunen eine materielle Grundlage dafür zusammentragen, den historischen Ort mit historischen Erdhütten zu einer „echten“ Gedenkstätte auszubauen, wird sich zeigen.
- Siehe dazu: Hoehne, Judith: Die ehemaligen KZ-Außenlager Kaufering um Landsberg. In: Museum des Warschauer Aufstands (Hg.): Erinnerungskultur des 20. Jahrhunderts. Analyse deutscher und polnischer Erinnerungsorte. Frankfurt/M. u.a. 2011, S. 103-107, hier S. 104. ↩
- Nach Frankl ist auch eine Strasse in Landsberg benannt. ↩
- Interview mit Hilde Weißhaar-Kiem, geführt am 25. April 2015 in Landsberg mit Susanne Maslanka. Wir danken für diesen Hinweis. ↩
- Landsberger Tagblatt vom 1./2. April 1995, o.S. ↩
- SZ vom 4. April 1995, S. 39. ↩
- Vgl. Telefoninterview mit Torsten Dressler am 29.06.2015. ↩