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Was kann man heute noch auf dem Gebiet des KZs Kaufering X sehen?

Dieser Artikel ist Teil der Serie Utting: KZ-Außenlager
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  • Das KZ in Utting: Kontaktmomente zwischen Dorfbewohner_innen und KZ-Häftlingen
  • Die Häftlinge in Utting und ihre Leidenswege
  • Utting: Das Dachauer KZ-Außenlager X

Der jüdische KZ-Friedhof befindet sich in einem Waldstück in unmittelbarer Nähe zu dem ehemaligen KZ-Gelände. Über Jahrzehnte hinweg war es der einzige Ort in Utting, der an das Schicksal der jüdischen KZ-Häftlinge erinnerte.

von Susanne Maslanka, Sophie Rathke und Theresa Weiß

Denkmal Überlebender Häftlinge des KZ Utting an Ihre zu Tode gekommenen Mithäftlinge.
Auf dem KZ-Friedhof in Utting legen Besucher_innen nach jüdischem Brauch Steine auf Mauern und Grabsteinen ab

Anlegung des Friedhofs

Der jüdische KZ-Friedhof in Utting wurde unmittelbar nach Kriegsende von Überlebenden für ihre ermordeten Freunde und Verwandten angelegt. Verschiedene Grabsteine mit hebräischen Inschriften für einzelne Personen wurden aufgestellt. Zudem wurde ein gemeinsamer Grabstein für alle Opfer als Mahnmal errichtet, mit Inschriften in deutscher und hebräischer Sprache.

2.Denkmal_Schaulener2
“SEI IHRE SEEL GEBUNDEN IM BUND DES LEBENS [Namen der Toten] DIE NAMEN DER RESTLICHEN HIER BESTATTETEN SIND UNBEKANNT, ÜBERLEBENDE DER GEMEINDE SCHAULEN (LITAUEN) HIER RUHEN UNSERE 27 BRÜDER, DIE VOM NAZIREGIME DURCH HUNGER UND PEIN ZU TODE GEQUÄLT WURDEN DIE RESTGERETTETEN SCHAULENER LANDSLEUTE”

Der Friedhof befindet sich auf dem Gebiet, wo die durch Zwangsarbeit vernichteten Menschen während des Bestehens des KZs begraben wurden. Der tatsächliche Standort der Gräber der einzelnen Toten ist nicht bekannt. Insgesamt wurden 29 Menschen dort bestattet, davon 28 Männer und eine Frau. Da Lagerberichte oder standesamtliche Unterlagen fehlten, wurden die Überreste als „unbekannte KZ-Tote“ registriert. Dennoch tragen die Grab- und Gedenksteine auf dem Friedhof die Namen der Opfer, da sie von den Überlebenden des Lagers oder den Verwandten der Opfer angebracht wurden. In einem 2011 erschienenen Band über die KZ-Friedhöfe in Bayern werden als Todesopfer jedoch noch immer „unbekannte KZ-Tote“ für Utting geführt.1

In den 1980er Jahren kam es zu kleinen Veränderungen auf dem Friedhofsgelände: 1985 veranlasste der Sohn von Joseph Reich die Anbringung einer Gedenktafel für seinen im Lager Kaufering X ermordeten Vater.2 1987 wurden die sterblichen Überreste von Herrn Katriel Brum, einem auf dem Gelände begrabenen Rabbiner, auf Bitte seines Bruders nach Israel überführt und dort begraben. 3

Kontroverse um den Zugang zum Friedhof

9.Mahnmal_Ganor
Das Mahnmal des Uttinger Überlebenden Solly Ganor und des Künstlers Bernd Dudek

Nach Errichtung einer Wohnsiedlung, der sogenannten „Schönbachsiedlung“, ab Mitte der 1950er Jahre auf dem Gelände des ehemaligen KZs war der Friedhof nur noch über das Gelände eines Schrottplatzes zugänglich, dessen Besitzer das Gelände 1956 gepachtet hatte. Viele Besucher_innen des jüdischen KZ-Friedhofs empfanden die Nähe des Schrottplatzes zum Friedhof als pietätslos und beschwerten sich bei den zuständigen Stellen. Der Konflikt spitzte sich in den 1960er Jahren so sehr zu, dass der Besitzer des Schrottplatzes den Zugang zum Friedhof über sein Gelände verbot. Daraufhin wurde von der Gemeinde zögerlich ein neuer Weg angelegt.4 Auch heute befindet sich der Wertstoffhof noch in unmittelbarer Nähe zum Friedhof, es wurden aber inzwischen andere Zugangswege geschaffen.

Aufstellung des Mahnmals von Solly Ganor

Während eines Aufenthalts in Utting im Jahre 2000 fertigte der Überlebende Solly Ganor gemeinsam mit dem Künstler Bernd Dudek ein Mahnmal an. Die Betonskulptur zeigt einen stilisierten KZ-Häftling, der Häftlingskleidung mit dem Abzeichen „Jud“ und dem Davidstern trägt. Dies mussten alle jüdischen Häftlinge tragen.

Im Zuge der Insolvenz des Künstlers Dudek kam das Kunstwerk in den Besitz eines Uttinger Bürgers, der Ganors Mahmal gerne im Seepark gesehen hätte. Es entwickelte sich eine öffentliche Debatte um einen angemessenen Platz für das Mahnmal. Nach Absprache mit Überlebenden wurde das Mahnmal 2012 aber auf dem jüdischen KZ-Friedhof aufgestellt, da sie den Friedhof für den geeignetsten Ort hielten.

 

„ZUM EWIGEN GEDÄCHTNIS AN MEINEN VATER UND LEHRER, DEN GELIEBTEN UND AUSGEZEICHNETEN MANN, BELESEN IN DER WAHRHEIT HERR ABA BAR DAVID STERLING SEL./ AUS DEM LANDE LITAUEN DER STADT BEISCHENEL (?) VERSTORBEN AM MONTAG, 20. CHESHWAN DES JAHRES 5704, DER ZUM OPFER IM KZ UTTING FIEL SEI SEINE SEELE GEBUNDEN IM BUND DES LEBENS 1944.“
„ZUM EWIGEN GEDÄCHTNIS AN MEINEN VATER UND LEHRER YZCHAK BAER GEBOREN IN LITAUEN IN DER STADT KRUK (?) WERDEN DIESE WÖRTER EINGRAVIERT MIT KUMMER UND TRAUER BEWEINE ICH DEINEN TOD AUF FREMDER ERDE UND DASS DU OPFER FÜR ISRAEL FIELST SEI SEINE SEELE GEBUNDEN IM BUND DES LEBENS 25.KISLEV 5705“
„HIER LIEGT BEGRABEN UNSER GELIEBTER VATER; LEHRER UNSERER SEELE RABBINER CHAIM BAR ELIYAHU GRILICHS ER WURDE GEFOLTERT UND ERFUHR DEN HUNGERSTOD IM KONZENTRATI-ONSLAGER 10 UTTING-DACHAU GEBOREN AM 28.02.1894 VERTORBEN IM TEWET 5705 21.01.1945.“
„HIER LIEGT BEGRABEN RABBINER KATRIEL SOHN DES RABBINERS DAVID BRUM […] 39 […] SEI SEINE SEELE GEBUNDEN IM BUND DES LEBENS“
Rückseite des Grabsteins für Katriel Brum
Erinnerungstafel in der Mauer von 1985 für Joseph Reich (*1896)


Lesen Sie auf der nächsten Seite über das Todesmarsch-Mahnhmal in Utting

  1. Werner, Constanze: Bayern. Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen: KZ-Friedhöfe und -Gedenkstätten in Bayern, Regensburg 2011, S.97 – 99. ↩
  2. Archiv der Bayrischen Gedenkstättenstiftung, München; Akten zum KZ-Friedhof Utting, Akte Nr. 150/85. ↩
  3. Archiv der Bayrischen Gedenkstättenstiftung, München; Akten zum KZ-Friedhof Utting, Akte Nr. 68-1838/88-Ib sowie Akte Nr. 9994/87. ↩
  4. Archiv der Bayrischen Gedenkstättenstiftung, München; Akten zum KZ-Friedhof Utting, Akte Nr. 12187/61, Akte Nr. 12 187-IId, Akte Nr. 4518/61, Akte Nr. 2827/72 sowie Akte Nr. 2827/72-IId. ↩
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Die Orte

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  • Frauen und sogenannte „Asoziale“
  • Neuaubing: Das Zwangsarbeitslager
  • Hohenbrunn: Das Munitionslager
  • Kinder in der Zwangsarbeit
  • Schule an der Stielerstraße: Das Bombensuchkommando
  • Kaufering VII: KZ-Außenlager

Hintergrund & Methodik

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